oder
DAS MINSCHDRER MANIFESCHD*:
Zum Schluss der Konferenz war es uns ein Anliegen, möglichst viel Klarheit zu schaffen.
Die verschiedenen Punkte, zu denen wir im Rahmen dieser Konferenz
Einigkeit erzielen wollten, haben wir, die Gruppe der Referentinnen, im
Vorfeld ausführlich diskutiert und besprochen. Die interne Einigkeit war
für uns die Voraussetzung für die Zusammenarbeit im Rahmen der
Konferenz und hat bereits viele unserer Gespräche wieder auf den Punkt
gebracht, wenn wir uns in Einzelheiten zu verlieren drohten.
Die
Einigkeit in grundlegenden Dingen ist Voraussetzung für eine
konstruktive Auseinandersetzung auch im Dissens. Wer z.B. Biotensegrität
für neumodischen Blödsinn hält oder Faszien als Einzelteile betrachtet,
dem erschließen sich viele völlig logische Zusammenhänge nicht. Es ist
daher auch für eure eigene Arbeit wichtig, in grundlegenden Fragen
gegenüber Kunden,Patienten, Schülern, Kolleginnen und auch euch selbst Klarheit zu schaffen.
Die folgenden Punkte wurden während der Konferenz erläutert, am Ende der Konferenz den TeilnehmerInnen vorgestellt und ohne Widerspruch akzeptiert:
1 Biotensegrität
Gültigkeit der Biotensegrität als allem Leben zugrundeliegende Struktur
und Bauweise, als innewohnende Idee im platonischen Sinne, als Prämisse
für weiterführende Annahmen, als Alternative zum Erklärungsmodell der
Biomechanik, als physiologische Reaktionsweise auf die Umwelt, als
Bewegungsidee und Behandlungsgrundlage.
Die vormals als Gelenke
verstandenen Verbindungen zweier Druckelemente dienen vielmehr der
Umlenkung der Kraft der Zugelemente. Hebel und Scherkräfte verlieren
ihre Bedeutung.
Quellen: www.biotensegrity.com
von Stephen Levin, das Buch „Basic Structure of Life“ von Graham Scarr,
„Living Biotensegrity“ von Danièle-Claude Martin, „Jenseits der
Biomechanik – Biotensegrity“ von mir.
2 Der Faszienkörper
ist - unter anderem - ein Bewegungs- und Problemlösungsorgan, in dem
alles mit allem verbunden ist und zudem das Netz, das von den Knochen
aufgespannt wird und das gleichzeitig für „Spaciousness“ sorgt, für Raum
*zwischen* den Knochen.
Er ist ein lernfähiges, sich fortwährend selbst organisierendes und optimierendes Organ.
zur Beurteilung des Ausbildungsstandes von Pferden sowie von Übungen und deren Nützlichkeit fürs Pferd:
a) Reiner Gang = Eine klare Fußung in jeder Gangart ist eines der
übergeordneten Ausbildungsziele und Hauptkriterium für die Beurteilung
der Korrektheit der Ausbildung. Abweichungen sind möglich während des
Trainings außerhalb der Komfortzone. Im Ergebnis, in der Vorführung
dessen, was erstrebenswert ist, sind Taktfehler ein Ausschlusskriterium.
b) Der Fesselstand und das Timing in der Bewegungsrichtung des
Fesselkopfes verändern sich kurzfristig durch Veränderung in der
Belastung, durch die Verschiebung der Bewegungsphasen und langfristig
durch Training. Ein unterschiedlicher Fesselstand im diagonalen Beinpaar
in der Stützbeinphase im Trab weist auf Taktverschiebungen hin.
c) Linie Hüfte – CTÜ – Maul, wie von Hans von Heydebreck in seiner Schrift „Das Gebrauchspferd“ beschrieben, stellt ein zu beobachtendes Merkmal dar,
das sich im Laufe der Ausbildung von abfallend über waagrecht hin zu
evtl. aufsteigend entwickeln sollte, wobei mit der waagerechten Linie
die Gebrauchshaltung erreicht ist. Im Ergebnis, in der Vorführung
dessen, was erstrebenswert ist, ist ein von der Linie Hüfte-Maul
deutlich abweichender CTÜ ein Ausschlusskriterium.
4. LSG-These:
Ein dauerhaft unter Last geöffnetes LSG ist pathogen / führt zu pathogenen Bewegungsmustern.
Es gibt für jedes Pferd eine neutrale, stabile Stellung des LSG. Der
passive Stehapparat ist auf ein neutral geschlossenes LSG angewiesen.
Hankenbeugung und aktive Öffnung des LSG schließen sich gegenseitig aus.
Für eine tensegrale Aufspannung des gesamten Körpers ist ein frei aus
der Neutralnullstellung heraus bewegtes Becken Grundvoraussetzung. Nur
eine effektive Stemm-/Entladungsphase bei Streckung der
Gliedmaßengelenke der Hinterhand und des Lumbosakralgelenks ermöglicht
die Übertragung der Kraft auf das gesamte Muskel- Fasziennetzwerk.
5 Atmung
Die Atmung ist bei Mensch und Pferd an die Schubkraft gebunden, da das
Zwerchfell zum tiefliegenden, rumpfstabilisierendem Muskelsystem gehört
und nur in einem aktiven System aus Aufspannung und Bewegung
funktionieren kann.
6. Relative Hankenbeugung
ist etwas das
dem Pferd situativ jederzeit zur Verfügung steht und entsteht durch
Aufladung und Entladung der tensegralen Strukturen. Das Becken bleibt
während der Stützbeinphase im Trab auf gleicher Höhe.
Die Beugung
der großen Gelenke der Hinterhand unter Last findet in gesunden
Bewegungsabläufen in unspektakulärem Umfang jeder Zeit statt!
Die
Hankenbeugung ermöglicht es dem Pferd, Energie zu speichern und sie
kontrolliert (Menge und Richtung) wieder abzugeben. Aus Sicht des
Pferdes ist ausgeprägte Hankenbeugung nur sinnvoll, wenn die
Bewegungssituation sie zur Problemlösung erfordert. Also in Übergängen
jeder Art.
Hankenbeugung ist die Einstellungsmöglichkeit für die
Kraftrichtung. Je höher das Beugungspotenzial, um so größer die
Flexibilität in Bezug auf Richtung und Kraftausdruck.
Hankenbeugung als Selbstzweck ist abzulehnen.
7. Keine Hankenbeugung
Das Heben der Kruppe in der Mitte der Stützbeinphase im Trab, verbunden
mit einem geöffneten LSG, stellt ein pathogenes Bewegungsmuster dar.
8. Relatives Optimum
Das relative Optimum ist die beste Version seiner selbst, die ein Pferd
zu einem bestimmten Zeitpunkt und unter bestimmten Bedingungen sein
kann.
Bildvergleiche sollten immer Vergleiche zwischen Bildern des
relativen Optimums zu verschiedenen Zeitpunkten und unter definierten
Bedingungen stattfinden.
Wenn sich das relative Optimum mit Blick
auf die oben genannten Kriterien auf dem Weg zum gewählten Ideal
verschlechtert, ist entweder der Weg unpassend oder das gewählte Ziel.
* Klingenmünsterer Manifest
3 Kommentare:
Danke an die TeilnehmerInnen der Konferenz für dieses Konzept, das die Hauptthesen der Biotensegrity einfach und klar zusammenfaßt. Da bleibt in den Grundthesen kein Diskussionsspielraum, sondern wirklich nur in Feinheiten oder Anwendungs-/Umsetzungsfragen. Danke - vor allem an Maren Diehl - für diesen tollen Ansatz, der die Arbeit am und mit dem Pferd (zumindest für mich) deutlich verändert hat.
Auch ich möchte mich bedanken für dieses inspirierende Wochenende. Für mich war die Biotensegrity nicht neu, hatte ich mich schon im Humanbereich mit dem Thema befasst und dank Maike Knifka konnte ich mich auch als Osteopathin für Pferde weiterbilden. Reiterlich habe ich mir schon lange ähnliche Gedanken zum gesunden Reiten gemacht und bin daher sehr Dankbar für die Ausführungen von Katja Eser und Maren Diehl zu diesem Thema. Fühle ich mich nun bestärkt in dem, was ich bisher nur "leise" gedacht habe. Hoch motiviert werde ich meine Gedanken nun auch "lauter" weiter tragen...
Tatjana Schmitt
Auch wenn es einiges an Bereitschaft, Verständnis und Grundwissen erfordert, sich auf die Biotensegrität einzulassen, ist es für mich hochspannend und vor allem absolut logisch. Danke für diese Zusammenfassung, die mir bei der Eröffnung neuer Horizonte wieder ein Stück weiter geholfen hat.
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